ARBEITSzeiterfassung

 

Zeiterfassungspflicht der Arbeitgeber/ Folgen für die Praxis

Der Arbeitsrechtler Dr. jur. Thomas Wolf erläutert:

Von einem „Paukenschlag“ wurde gesprochen, als der Beschluss des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 – bekannt wurde.

Die Urteilsgründe liegen bislang noch nicht vor. Mit einer Veröffentlichung wird im
November 2022 gerechnet.

Nach dem o.g. Urteil des BAG steht nunmehr endgültig fest:
Arbeitgeber sind verpflichtet, ein funktionierendes Zeiterfassungssystem
einzuführen. Diese Regelung gilt übrigens unabhängig von der Größe des
Betriebes.

Welche Konsequenzen lassen sich aus der Entscheidung ableiten?

Zunächst besteht insoweit ein Stück mehr Rechtssicherheit. Der Arbeitgeber muss ein
funktionierendes Zeiterfassungssystem zur Verfügung stellen. Betroffen sind nicht nur
Arbeitnehmer, sondern auch Auszubildende, Praktikanten oder Volontäre.
Möglicherweise fallen auch Leitende Angestellte unter den Regelungsbereich.

Keinesfalls ist der Arbeitgeber selbst verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen. Es wird
vielmehr vertreten, dass der Arbeitgeber bestimmen kann, wie die Zeiterfassung konkret
erfolgt.

 

Entscheidend ist, dass das Zeiterfassungssystem „objektiv, verlässlich und zugänglich“
sein muss (EuGH 14.05.2019 – C – 55/18).
Entgegen ersten Stimmen wird damit auch nicht das Ende der Vertrauensarbeitszeit
oder das Ende des Home-Office eingeläutet. Die erforderliche Dokumentation der
Arbeitszeit lässt sich vielmehr auch in diesen Fällen ordnungsgemäß organisieren. Im
Übrigen wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber nach wie vor berechtigt ist, den
Arbeitnehmern selbst aufzugeben, die Arbeitszeit zu erfassen. Dies kann dann z.B. auch
manuell durch Stundenzettel geschehen. Die Installation eines elektronischen
Zeiterfassungssystems erscheint derzeit nicht zwingend erforderlich.

Eine wesentliche Änderung ergibt sich allerdings hinsichtlich der Konsequenzen bei
Verstößen. Hier drohen nämlich künftig Bußgelder, sofern die zuständigen Behörden
überhaupt in der Lage sind, entsprechende Betriebsprüfungen durchzuführen.

Letztlich gilt es, die Entscheidungsgründe des BAG abzuwarten. Möglicherweise sind
hier weitere Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise und der Intensität der
Arbeitszeiterfassung enthalten. Letztlich handelt es sich um eine Maßnahme des
Arbeitsschutzes, um die zum Teil ausufernde Praxis von Überstunden und die damit
nicht selten verbundenen Verstöße gegen Arbeitszeithöchstgrenzen in den Griff zu
bekommen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber auf die neue
Rechtsprechung reagiert. Bislang war er nachhaltig untätig. Redliche Arbeitgeber
müssen sich keine Sorgen machen – so Dr. Wolf.